Früheste Urkunde zur Ortsgeschichte von Bechtolsheim ist ein Steinbeil aus der Jungsteinzeit, das eine Besiedelung des Gebietes zwischen Petersberg und Selz bereits vor fast 7000 Jahren belegt. Das durchbohrte Steingerät wurde im Jahr 1900 von Georg Held aus Bechtolsheim gefunden und wird seit 1908 im Museum in Alzey verwahrt. Dort ist es sogar in der Schausammlung zur regionalen Kulturgeschichte dauerhaft ausgestellt und kann jederzeit in der Vitrine als besonderes Bechtolsheimer Fundstück besichtigt werden. Für das Museum im Glockenturm hat ein archäologischer Restaurator eine hochwertige Kopie in Kunststein gefertigt. Mit Hilfe dieser Replik kann das jungsteinzeitliche Steingerät vor Ort eine Geschichte von Steinzeitbauern erzählen, die in der Gemarkung Bechtolsheim zum Verlieren oder Ablegen des Werkzeuges geführt hat, das einst der Holzbearbeitung diente. Die Auffindung im Jahre 1900 an der Kreuzung der Straße von Gabsheim nach Gau-Odernheim mit der Straße von Biebelnheim nach Bechtolsheim ist inzwischen selbst eine interessante ortsgeschichtliche Begebenheit. Diese Straßenkreuzung gibt es heute nicht mehr.
Die mächtige dreischiffige Hallenkirche von Bechtolsheim besticht durch den imposanten Baukörper mit einer Länge von fünf Jochen und einem dreijochigen, nur einschiffigen Chor; zugleich auch durch die weitgehend erhaltene originale Innenausstattung. Die Errichtung erfolgte ab 1482. Bereits 1487 war der Bau soweit fortgeschritten, daß die Übertragung des Theobaldusaltares in die neue Kirche möglich war. Die Ausmalung war 1494 vollendet und 1496 wurde das Gestühl von Erhart Valckener eingebaut. Diese Kirchenbänke fürs Volk sind samt ihrer originalen spätgotischen Farbfassung erhalten und bis heute in Gebrauch. Beachtlich sind auch Taufstein, Kanzel, Epitaphe und Altäre. Die barocke Orgel wurde jüngst gründlich instandgesetzt. Die Kirche ist Maria und Christophorus geweiht und wird seit 1685 bis heute simultan, also von beiden christlichen Gemeinden gemeinsam gottesdienstlich genutzt.
In der Nacht zum 1. August 1904 brannte der Kirchturm nach Blitzeinschlag bis auf die Grundmauern nieder. Die Glocken schmolzen und auch das neue Uhrwerk von 1894 wurde ein Raub der Flammen. Die Ortsgemeinde sorgte für einen Neubau an derselben Stelle, der bereits im Sommer 1907 eingeweiht werden konnte. Wahrscheinlich ging der niedergebrannte Vorgängerbau, der im 17. Jahrhundert bei der Verheerung des Dorfes schon einmal fast dreißig Jahre eine Ruine war, auf einen wehrhaften Wohnturm des Mittelalters an dieser Stelle zurück. In dieser Baugenese dürften sowohl die Baufluchten, die vom jüngeren Kirchenbau abweichen, als auch die besonderen Eigentumsverhältnisse begründet sein. Der Turm samt Uhrwerk und Glocken gehört nämlich seit alters her der bürgerlichen Gemeinde. Berühmt wurde zu Anfang der 1960er Jahre der Bechtolsheimer Glockenstreit, der sich an dem Grabgeläute für Bürger jeder Konfession und auch Kirchenlose entzündete. Bis hin zum Bundesverwaltungsgericht wurde der Streit um die letzte weltliche Ehrung verstorbener Bürger getragen. Glocken und Geläut dienen seit Jahrhunderten dem Kultus der Christen alten und neuen Glaubens und sind zugleich Ausdruck bürgerlichen Stolzes. Seit 2007 sorgt der Heimatverein für Pflege und Unterhalt des gemeindeeigenen Turmes und belebt ihn durch regelmäßige Ausstellungen im Museum im Glockenturm.
An der Simultankirche sind sechs mittelalterliche Grabepitaphien zu besichtigen, die vom Leben prominenter Bechtolsheimer von damals berichten; namentlich eines Ritters von Bechtolsheim (gest. 1339), des Johann Esel (gest. 1380), Heinrich Esel (gest. 1398), Latemus Esel (gest. 1400), des Limanis Bube von Geispitzheim (i. e. Gabsheim, gest. 1397) und des Peter Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (gest. 1397). Das Grabmal einer bemerkenswerten Bechtolsheimerin steht in Gau-Odernheim: Lysa von Ingelheim (gest. 1519), Gattin des Bechtolsheimer Ganerben Eberhard Fetzer von Geispitzheim (gest. 1520), der Stifterin des kunsthistorisch überregional bedeutenden und bekannten Gestühles von Erhart Valckener aus dem Jahr 1496 in der Simultankirche in der Langgasse.
Die Wasserburg von Bechtolsheim geht auf 13. Jahrhundert zurück. Die imposante Wehranlage mit einem zentralen Wehrturm auf einer künstlichen Insel ist gut illustriert durch eine Bauplanung vom Beginn des 18. Jahrhunderts. Der Wiederaufbau durch den Barockbaumeister Herwartel ist allerdings wegen fehlender Mittel gescheitert, so daß die Ruine völlig abgetragen wurde. In manchen Häusern und Scheunen des Dorfes haben die Steine der einstigen Burg Wiederverwendung gefunden. Eine Bauinschrift aus dem 16. Jahrhundert in Versform und in deutscher Sprache steht im Zusammenhang der Burganlage und ist etwa im Treppenaufgang des Hauses Schloßgasse 10 eingelassen. Seit 2006 sind ein Eckturm der Vorburgmauer zur Selz hin im Pflaster der Schloßgasse nach den Ergebnissen archäologischer Ausgrabungen markiert und eine Informationstafel erklärt das Bauwerk und ordnet es nach den Quellen in die Ortsgeschichte des ritterlichen Bechtolsheim ein.
Die mittelalterliche Ortsbefestigung von Bechtolsheim ist auch heute noch im Ortsbild präsent. Zum Petersberg hin verläuft der ehemalige Wehrgraben parallel zur Langgasse. Doppeltes Grabenwerk und dorniges Gebüsch bildeten ein wehrhaftes Annäherungshindernis, das in zweiter Reihe einst durch die ununterbrochene Scheunenrückfront der Gehöfte an der Langgasse gesichert war. Auf der anderen Ortsseite wird das alte Dorf von der Selz und Mühlgräben begrenzt. Zum künstlichen Burgweiher aufgestaut, wird der Selzverlauf im Mittelalter durch die Wasserburg mit Wohnturm vom Donjon-Typus beherrscht. Dieses verläßliche und stattliche Verteidigungswerk hat den Bürgern von Bechtolsheim über Jahrhunderte Schutz in unsicheren Zeiten gewährt. Erst bei der Belagerung des Dorfes am Ende des 17. Jahrhunderts waren die Kanonen so weit fortentwickelt, daß Burg und Ortsbefestigung nicht der Beschießung standhielten und weite Teile des Dorfes im Brand untergingen.
In der Langgasse steht das 1592 errichtete Rathaus von Bechtolsheim. Seit dem 15. Jahrhundert übten gewählte Bürgermeister jeweils für die Dauer von zwei Amtsjahren die Ortsherrschaft im reichsritterschaftlichen Bechtolsheim aus. Sie entstammten aus den Reihen der niederadeligen Ganerben, die seit dem 13. Jahrhundert die Dorfgemeinschaft politisch und wirtschaftlich sachwalteten. Das repräsentative Gebäude des Renaissance-Rathauses mit zweischiffiger steinerner unterer Halle und Fachwerkobergeschoß ist noch heute Sitz des Ortsbürgermeisters. Heute wie damals tagen die Gemeinderäte im Ratssaal und entscheiden über die Entwicklung des Ortes.
Bechtolsheim ist ein Straßendorf. Die Langgasse ist die historische und aktuelle Hauptverkehrsachse des Ortes. Die Häuser der Langgasse spiegeln die vielhundertjährige Ortsgeschichte wider. Alle Facetten bürgerlicher Bauten sind zu sehen: große Hofreiten, kleine Bauern- und Handwerkerhäuser, Häuser mit Werkstätten und Läden, Bauerngärten, Scheunen, Ställe und Tagelöhnerhäuschen. Die ganze Fülle rheinhessischer Architekturen kann hier bestaunt werden: von der spätgotischen Hallenkirche, über das Renaissancerathaus, Höfe und Fachwerkhäuser des 17. Und 18. Jahrhunderts mit und ohne Verputz bis zu gründerzeitlichen Bürgerhäusern und Wohnhäusern des Jugendstils. Das Natursteinpflaster der Straße ist vollständig wiederhergestellt, wodurch ein für Rheinhessen einmaliges Straßenensemble erhalten werden konnte, das zurecht den Status einer Denkmalzone genießt. Der im Rahmen der Dorferneuerung errichtete Gänsebrunnen erzählt eine schöne Geschichte über das vergangene bäuerliche Leben der Gemeinde. Zugleich erfreut er Bewohner und besonders Radfahrer mit kühlem Naß und lädt zum Verweilen ein.
Der Berg des Glückseligen Petrus (MONS BEATI PETRI) ist der Ortsberg von Bechtolsheim und weithin sichtbarer Bezugspunkt für den mittleren rheinhessischen Raum. Die Peterskirche aus dem 10. Jahrhundert war seit dem Mittelalter ein religiöser Mittelpunkt für die Christen vieler kleinerer Dörfer und Einzelgehöfte ohne eigene Kirche. Ausgrabungen wurden 1887 unter Pfr. Gredy und Prälat Dr. Friedrich Schneider und 1947 unter Prof. Dr. Friedrich Behn auf dem Petersberg unternommen. Die exakten Architekturaufnahmen von damals sind Grundlage heutiger Forschungen. Auf einem Ölgemälde der Bayerischen Staatsgemäldesammlung zu München, das Philipp Helderhof oder Anton Mirou zugeschrieben wird, ist das Aussehen der Peterskirche in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts überliefert. Die mächtige Apsis, die den Chor abschließt, ist gut zu erkennen. Eine großzügige Außentreppe in ganzer Breite des Mittelschiffes führt in die stattliche dreischiffige Basilika von 30 m Länge und 19,5 m Breite. Die Anordnung der raumgliedernden Pfeiler des Hauptgeschosses lenkt den Blick auf die halbrunde Mittelapsis des Chorraumes. Eine breite zentrale Treppe vermittelt zwischen dem dreischiffigen Kirchenraum und dem erhöhten Altarraum. Das Untergeschoß unter dem Chor, erschlossen von zwei Treppen aus den Seitenschiffen, ist als sogenannte Hallenkrypta vom Prozessionstyp konzipiert. Ein Steinmetz hat die Bauglieder der Krypta in den vergangenen Jahren nachgeschöpft. Ein überaus schöner und würdiger Ort konnte so wiedergewonnen werden. Gemeinsam mit Gau-Odernheim wurde ein Kulturweg Peterberg etabliert, der bestens für erlebnisreiche Wanderungen geeignet ist.
Der Heilige Nazarius erleidet an einem 28. Juli um 304 n. Chr. in Mailand zusammen mit seinem Schüler Celsus einen gewaltsamen Tod durch das Schwert wegen Missionarswirkens in Oberitalien und Gallien. Bischof Ambrosius von Mailand hat die Leichname an einem 12 Juni um 395 n. Chr. in einem Garten vor der Stadt exhumieren lassen. Das abgeschlagene Haupt des Nazarius hatte noch Haare und Bart. Es folgte die Umbettung in die Mailänder Apostelkirche und Weihung dieser als San Nazaro. Im Jahre 765 werden die Gebeine des Heiligen durch den Metzer Bischof Chrodegang an das Lorscher Kloster geschenkt. Die feierliche Einholung der Martyrergebeine von Italien nach Lorsch geschah am 7. Juli 765. Seither hat das Kloster um das Seelenheil vieler Gläubiger überaus zahlreiche Schenkungen erhalten. So auch die Schenkung des Teutbert in Bertolfesheim vom Juli 767. 2017 jährte sich diese Schenkung zum 1250. Mal. Teutbert schenkte um das Seelenheil des Giselbert dem Heiligen Martyrer Nazarius, dessen Gebeine im Kloster Lorsch ruhen, dem der ehrwürdige Gundeland als Abt vorsteht, ein Gehöft im Wormsgau in der Bertolfesheimer Gemarkung und drei Morgen Land und ein Mühlenhaus, welches in einem Morgen dieses liegt und zwei Wiesen und einen Weingarten. DONO VINEAM AD S. NAZARIUM ist die Formulierung, die den Weinbau in Bechtolsheim seit 767 verbürgt.
